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Foto: pixabay.com

...und erstens kommt es anders

Jenny Oppermann und Daniel Dorminger (Foto: Kaltenschnee)

An diesem Dienstag sind alle vier in der Tagschicht auf der DRK Rettungswache Büdingen eingeteilt. Der frischgebackene Notfallsanitäter Daniel Dorminger fährt mit seinem Kollegen Manuel Specht, als „dritter Mann“ ist die Auszubildende Jennifer Oppermann dabei. Julia Reich wiederum fährt mit Emmelie Reuhl in einem anderen Rettungswagen und Azubi Hendrik Kraft ist „dritter Mann“ an Bord. Jennifer Oppermann erklärt den ungewöhnlichen Begriff, der zu ihr als Frau so gar nicht passen mag: „Im ersten Ausbildungsjahr fahren wir Auszubildenden immer als ‚dritter Mann‘ auf dem RTW mit. Das heißt, es sind immer drei Rettungsdienstmitarbeiter als Team eingeteilt.“ 

Die Tagschicht ist schon fast vorbei, bald wird der Feierabend eingeläutet. Zuvor wollen alle vier berichten, warum sie sich für diesen nicht alltäglichen Beruf entschieden haben. Doch im aktiven Rettungsdienst, dessen Personal 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche einsatzbereit ist, um Menschen zu helfen und Leben zu retten, kann ein Gesprächstermin wie dieser auch ins Wasser fallen. „Julia und Hendrik sind zu einem Einsatz alarmiert worden“, sagt André Hübsch vom Büdinger Roten Kreuz denn auch schon bei der Begrüßung und: „Es ist nicht klar, wann sie zurück sind. Aber Jenny und Daniel sind ja da. Mit den beiden können Sie mal anfangen. Vielleicht draußen im Hof, da können alle ihre Maske abnehmen.“ Vor einem Rettungswagen mit dem Funkrufnamen RotKreuz Wetterau 4/83-1 stehend schildert Jenny Oppermann wenig später, was sie dazu bewogen hat, beim DRK im Rettungsdienst einzusteigen: „Den medizinischen Bereich fand ich immer schon interessant. Meine Mama ist Arzthelferin.“ Dennoch hat die 31-Jährige nach der Schule erst einmal eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten gemacht, erfolgreich abgeschlossen und einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet - zuletzt in einem Inkassobüro in Frankfurt. Doch zufrieden war sie nicht. Also absolvierte sie 2018 einen Probedienst auf der Büdinger Rettungswache. Der hat ihr so gut gefallen, dass sie im Januar 2019 die dreimonatige Ausbildung zur Rettungssanitäterin machte, im April abschloss und seither als ebensolche beim DRK in Büdingen arbeitete. Nun will sie sich mit der dreijährigen Notfallsanitäterinnenausbildung weiterqualifizieren „Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen“, sagt sie strahlend: „Mir gefällt auch, dass es hier in Büdingen ein sehr kollegiales Miteinander gibt. Ganz gleich, ob jemand Praktikant oder Notarzt, Aushilfe oder Sanitäter ist: Jeder kann mit jedem gut zusammenarbeiten.“ Wie ihr Kollege Daniel Dorminger hat auch sie jahrelang ehrenamtlich im Roten Kreuz mitgemacht. Doch während sie damals in ihren 20ern war, hat sich Daniel Dorminger bereits mit zehn Jahren in der Jugendfeuerwehr engagiert und mit 14 im Jugendrotkreuz. Mit 16 wurde er in die DRK Bereitschaft Katastrophenschutz aufgenommen. Außerdem war er als Schulsanitäter aktiv. Kein Wunder, dass er nun selbstironisch sagt: „Man könnte fast meinen, ich bin blaulichtgeil, aber das kann man in der Zeitung ja nicht schreiben.“ Aber das geht durchaus, weil Daniel Dorminger sogleich erläutert, was er meint: „Ich habe mich schon immer für Menschen engagiert, will helfen und Leben retten. Deshalb wollte ich auch unbedingt in den Rettungsdienst und Notfallsanitäter werden. In diesem Beruf bleibt es dann nicht aus, mit Blaulicht unterwegs zu sein.“ 

Nachdem er nun seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat und seit einem guten Monat als Notfallsanitäter beim Roten Kreuz in Büdingen arbeitet, wollen wir wissen, was er seiner Kollegin als Ratschlag für die Ausbildung auf den Weg gibt. Er wendet sich ihr zu und sagt: „Nimm jeden einzelnen Tipp, jeden Rat von den Kollegen an, vor allem von den langjährigen. Das wird dir im Berufsalltag sehr helfen. Und einen zweiten Rat habe ich auch: Im zweiten Ausbildungsjahr gibt es ein Tief. Da raucht der Kopf, weil so viel zu lernen ist. Du musst am Ball bleiben. Das geht vorbei.“

In diesem Moment piepst der Alarmpager, den Daniel Dorminger am Gürtel trägt. Ein Einsatz ruft. Rasch steigt das Team in den Rettungswagen und schon geht es los - mit Blaulicht und Martinshorn. Genauso überraschend, fast wie abgesprochen, rollt Sekunden später RotKreuz Wetterau 4/84-1 in den Hof. Julia Reich und Hendrik Kraft steigen aus. Obwohl der Feierabend winkt, nehmen sich der Notfallsani-Azubi und seine Kollegin ein paar Minuten Zeit für ein Gespräch. 

Julia Reich engagiert sich bereits seit elf Jahren in der Jugendfeuerwehr ihrer Heimatgemeinde Rothenbergen. Damit kam die mittlerweile 21-Jährige bereits sehr jung mit jenen Institutionen in Berührung, die dem Schutz der Bevölkerung dienen und zu denen unter anderem der Rettungsdienst, die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk gehören. Julia Reichs Interesse an Medizin trug das Seine bei und beides führte dazu, dass sie sich im Alter von 17 Jahren für eine Ausbildung zur Notfallsanitäterin entschied. Sie ist froh, dass sie diese Ausbildung vor einigen Wochen erfolgreich abgeschlossen hat: „Es ist ein sehr zufriedenstellendes Gefühl und ich bin stolz darauf, dass ich das geschafft habe.“ Über die Ausbildung sagt Julia Reich: „Sie ist sehr anspruchsvoll, spannend und herausfordernd, weil die Notfallsanitäter-Azubis in sehr viele verschiedene Arbeitsbereiche eingeführt werden. Aber das Ganze ist auf jeden Fall zu schaffen.“ Die junge Frau bestätigt nun auch, was Daniel Dorminger schilderte, bevor er zum Einsatz gerufen wurde: „Ja, diesen Einbruch im 2. Ausbildungsjahr erleben alle. Tatsächlich alle. Diesen Punkt muss man überwinden, Biss zeigen. Wenn man da durch ist, ist es im Grunde geschafft.“

Hendrik Kraft nickt. Wie Julia Reich hat er bereits mit 17 Jahren den Weg in den Rettungsdienst eingeschlagen. Beim Roten Kreuz in Büdingen engagiert er sich schon seit 2016 ehrenamtlich, hat verschiedene Ausbildungen durchlaufen und sich Sanitätskompetenzen angeeignet. Auch in der Schule hat Hendrik Kraft sein Interesse für die Notfallmedizin unter Beweis gestellt: Er besuchte die Berufsfachschule Nidda und hat einen fachbezogenen Realschulabschluss „Medizinischtechnische und krankenpflegerische Berufe“ erworben. Durch seine ehrenamtliche Tätigkeit ist der junge Bleichenbacher schon lange mit dem Roten Kreuz vertraut. Die Entscheidung für die Ausbildung fiel ihm deshalb leicht. „Ich erwarte, dass uns fundiertes notfallmedizinisches Wissen vermittelt wird. Darauf freue ich mich schon“, sagt er. 

Mittlerweile ist es nach 18 Uhr, Der Rettungswagen, mit dem die anderen davongebraust sind, ist noch nicht zurück. „Man weiß halt nie, wie lange so ein Einsatz dauert und was einen erwartet. Wir werden von der Leitstelle in Friedberg, in der alle Notrufe unter der Nummer 112 eingehen, gut mit Informationen versorgt. Aber dennoch kann es passieren, dass wir zu einem vermeintlichen Routineeinsatz rausfahren und wenn wir ankommen, erweist er sich als lebensbedrohliche Situation für den Patienten“, sagt Julia Reich. So mag es auch dem Team von 4/83-1 ergangen sein. Also verabschieden sich Julia Reich und Hendrik Kraft nun doch. Am nächsten Tag um sieben Uhr beginnt schließlich wieder eine 12-Stunden-Schicht, die neue, möglicherweise unerwartete Rettungseinsätze mit sich bringt.