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Im Porträt: Antje Weigelt

 

Antje Weigelt (Foto: Kaltenschnee)

Schon bei der ersten Frage muss Antje Weigelt lachen. „Die habe ich in den letzten Wochen oft gehört. Bei der Vorstellungsrunde in der Schule zum Beispiel“, sagt sie. Die Schule, das ist das Schulungszentrum des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) in Ortenberg. Dort hat Antje Weigelt am 1. Oktober ihre dreijährige Ausbildung zur staatlich geprüften Pflegefachfrau begonnen. Die Frage, über die sie lachen muss, wiederum lautet: „Warum beginnt eine Frau Mitte 40 eine dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft?“ 

Antje Weigelt denkt kurz nach, bevor sie antwortet. „Ich habe viele Jahre in Teilzeit im Einzelhandel gearbeitet. In Büdingen und zuvor in Gründau.“ Wegen ihrer drei Kinder habe sie beruflich lange zurückgesteckt: „Die Familie ging vor.“ Doch Kinder werden groß und sie habe wieder mehr arbeiten wollen: „Jetzt ist die Mama dran“, sagt sie. Auch die Trennung von ihrem Mann und die nachfolgende Scheidung habe sie darin bestärkt: „Wenn ich meinen jährlichen Rentenbescheid angeschaut habe, war ich frustriert und hatte jedes Mal den Gedanken: Du musst Vollzeit arbeiten.“ Also hat sie die Stellenanzeigen in den Zeitungen und im Internet durchgesehen und schließlich intensiv nach einer Vollzeit-Stelle gesucht. „Ich wollte weiter im Einzelhandel tätig sein. Am liebsten als Filialleiterin.“ Sie habe Bewerbungen geschrieben, aber keine neue Stelle gefunden. Im Kreis-Anzeiger sah sie schließlich eine Stellenanzeige des Roten Kreuzes in Büdingen. Der Ambulante Pflegedienst suchte Pflegehelfer. „Ich habe die Anzeige ausgeschnitten, weggelegt, wieder angeschaut, wieder weggelegt. Damals dachte ich noch: Ich? Altenpflege. Niemals!“ Schließlich habe sie doch beim Roten Kreuz in Büdingen angerufen und Informationen rund um die Aufgaben einer Pflegehelferin erhalten. Aber das war Antje Weigelt nicht genug. Am Telefon machte Birgit Hanusch, stellvertretende Leitung der Ambulanten Pflege, den Vorschlag: „Fahren Sie doch einfach mal bei einer Tour mit und machen Sie sich ein Bild.“ Das habe sie in ihrem Urlaub dann auch getan. Schon nach der ersten Tour habe Birgit Hanusch zu ihr gesagt: „Du fängst bei uns an.“ Selbst da habe Antje Weigelt sich das noch nicht vorstellen können. Bei dieser Schnupper-Tour seien sehr viele Eindrücke auf sie eingeprasselt: „All diese Wohnungen, die Wohnsituationen, die Lebensumstände, die Gerüche, die Geräusche: Das hat mich erschlagen. Anschließend hatte ich eine schlaflose Nacht, so sehr hat mich das Erlebte beschäftigt.“ Und doch folgte auf die ersten Eindrücke schnell der Gedanke: „Wie schön, all diesen Menschen Betreuung und Pflege zuhause zu ermöglichen. Das fand ich ganz toll.“ Da sie zu dieser Zeit noch als Verkäuferin im Einzelhandel arbeitete, habe der DRK-Kreisverband ihr einen Minijob ermöglicht. Die Arbeit als Pflegehelferin hat ihr gefallen und schließlich kündigte sie ihre Stelle als Verkäuferin zum Jahreswechsel 2019/2020, um sich ganz auf die Altenpflege zu konzentrieren. Und mehr noch: „Schon beim Einstellungsgespräch haben wir über Weiterbildungsmöglichkeiten gesprochen und schon da habe ich beschlossen, sobald wie möglich die Ausbildung zur Pflegefachkraft zu beginnen.“ 

Noch immer steht die Frage nach dem Warum im Raum. Dazu sagt die gebürtige Chemnitzerin, die im November 1989 als knapp 15-Jährige in die Bundesrepublik kam: „Nach der Schulzeit, als junger Mensch, wird von einem erwartet, dass man eine Ausbildung macht. Als ich meine Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert habe, war mir alles wichtiger als zu lernen: Party, Freunde, Spaß. Die Ausbildung zur Pflegefachkraft will ich machen. Will ich gut machen. Und ich möchte aus meinem Leben etwas machen.“ Außerdem hat Antje Weigelt im Februar ein Haus gekauft, ist dabei es zu sanieren. „Das Haus will bezahlt und in Schuss gehalten werden. Ich muss also Geld verdienen, um mir meinen Traum von einem entspannten Leben in der Rente in den eigenen vier Wänden zu finanzieren.“ Ihre Kinder unterstützen den neuen Lebensabschnitt. Sie haben ihr zum Schulanfang am 1. Oktober sogar eine reich befüllte Schultüte geschenkt. 

Die Arbeit als Pflegehelferin habe ihr gut gefallen, wiederholt sie noch einmal und berichtet von ihren Aufgaben: „In einer Schicht habe ich etwa 25 Kunden. Zu meinen Aufgaben gehört zum Beispiel das An- beziehungsweise Ausziehen der Kompressionsstrümpfe, kleine und große Körperpflege oder die Gabe von Medikamenten.“ Oftmals seien die Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes für die Kunden der einzige Kontakt zur Außenwelt. Das stimme sie nachdenklich.

Als Pflegefachkraft wird sie andere Aufgaben erfüllen und mehr Verantwortung übernehmen, so zum Beispiel Blutzucker messen, Insulin spritzen, Wundverbände wechseln oder Medikamente stellen (Medikamente in den Medikamentendispenser der Kunden einsortieren und damit zur Einnahme vorbereiten, Anmerkung der Redaktion). Sie könne sich dann zudem in viele Richtungen fortbilden: zur Wundberaterin, zur Pflegedienstleitung oder zur Hospizbegleiterin zum Beispiel. Außerdem habe sie die Möglichkeit, nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung, noch ein Studium zu absolvieren. 

Antje Weigelts Klasse im Ortenberger Schulungszentrum besuchen übrigens 30 Schüler im Alter von 17 und 52 Jahren. Unter ihnen sind sieben Männer. Einige ihrer Mitschüler besitzen - anders als Antje Weigelt - bislang keine Erfahrung in einem Pflegeberuf. „Ich bin gespannt, wie viele wir nach dem ersten Praxisblock noch sein werden“, sagt sie denn auch. Wir werden nachfragen.

Für alle, die sich für die Ausbildung interessieren, haben wir hier einige Informationen zusammengetragen: Die bislang separaten Ausbildungen für Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege sind durch das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe im Sommer 2017 neu geregelt worden. Die neue Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ist in zwei Stufen bis zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Die drei Pflegeberufe sind nunmehr zum Beruf der Pflegefachkraft zusammengeführt. In den ersten beiden Ausbildungsjahren erfolgt eine generalistische Pflegeausbildung für alle, im dritten Jahr können sich die Auszubildenden entweder für eine Spezialisierung zur Altenpflegerin beziehungsweise Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin entscheiden oder die generalistische Ausbildung zur Pflegefachfrau fortsetzen. Die Ausbildung selbst ist in theoretische und praktische Blöcke gegliedert. Theorie wird zum Beispiel im VDAB-Schulungszentrum in Ortenberg gelehrt. Praxisblöcke finden in verschiedenen Fachgebieten statt - Innere Medizin, Geriatrie, Neurologie, Pädiatrie, Psychiatrie, um nur einige zu nennen.

Haben Sie wietere Fragen? Sie erreichen Elke Leiß, Leitung der Senioren- und Plegeeinrichtung "Am Seemenbach", unter der Telefonnummer 0 60 42 - 96 56 125 und Monika Bischoff, Leiterin des Ambulanten Pflegedienstes, unter der Telefonnummer 0 60 42 - 88 06 52.

Weitere Informationen erhalten Sie außerdem auf den Seiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: www. pflegeausbildung.net.