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Im Mittelpunkt immer der Mensch

 

Christoph Reinhardt und Kerstin Kehm-Göbel (Foto: Kaltenschnee)

Es gibt Dienste am Menschen, die haben auch an Weihnachten keine Pause. Beim Roten Kreuz in Büdingen gilt dieser Satz sogar für viele Bereiche. Für den Hausnotruf und die ambulante Pflege, für die Senioreneinrichtung und für Essen auf Rädern. Schließlich brauchen alleinlebende Menschen auch an den Feiertagen schnelle Hilfe, wenn sie in der eigenen Wohnung stürzen. Körperpflege kann nicht ausgesetzt werden, bis das lange Festtagswochenende vorbei ist. Und auf Essen kann keiner verzichten. Das ist lebensnotwendig.

Also fahren Kerstin Kehm-Göbel und ihr Kollege Christoph Reinhardt vom Büdinger Roten Kreuz auch an Heiligabend und den beiden Weihnachtsfeiertagen von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr Essen aus. Weihnachtsmenüs, um genau zu sein. Der Speisenplan steht schon. Wie an jedem Tag im Jahr wird es drei Menüs geben. „Vollkost“, „Leichte Vollkost“ und „Vegetarisch“ - tagesfrisch gekocht in der Küche der Senioren- und Pflegeeinrichtung in der Henry-Dunant-Straße. Dazu eine Suppe und ein Dessert. Am 1. Weihnachtsfeiertag können sich die Kunden also auf Hirschragout mit Serviettenknödeln und Feldsalat freuen, am 2. Weihnachtsfeiertag auf gebratene Gänsekeule mit Rotkohl und Kartoffelbällchen.

Christoph Reinhardt macht es nichts aus, an Heiligabend zu arbeiten. „Der Abend bleibt ja unangetastet“, sagt der 66-Jährige, der seit vier Jahren Teil des Fahrerteams von „Essen auf Rädern“ ist. „Wir machen unseren Job mit Herzblut“, sagt Kerstin Kehm-Göbel mit großem Enthusiasmus: „Wenn man die lachenden, strahlenden Gesichter der älteren Menschen sieht, dann ist das einfach großartig.“ Wie die anderen Stammfahrer des Menüservice des DRK Kreisverbands arbeiten auch Christoph Reinhardt und Kerstin Kehm-Göbel als Minijobber. „Alle freiwillig. Wir wollen etwas für die Gesellschaft tun. Wir vier sind ein richtig tolles Team“, sagt Kerstin Kehm-Göbel. 

„Essen auf Rädern“ ist für jene gedacht, die sich nicht mehr selbst versorgen können. „Wir versorgen Menschen im ländlichen Bereich. Mein Eindruck ist, dass viele hier zufriedener sind als in der Stadt und einfach dankbar, dass wir den Dienst anbieten“, berichtet denn auch Ines König-Günther, die seit diesem Herbst für den Service zuständig ist und der die gesamte Organisation obliegt. „Mit unserem Service ermöglichen wir Menschen eine warme Mahlzeit, die selbst nicht mehr dazu in der Lage sind, selbst zu kochen. Für jene, die keine Lust haben sich zu versorgen, gibt es andere Möglichkeiten“, bekräftigt Ines König-Günther. Vor kurzem habe ein Ehepaar angerufen - beide über 90 Jahren -, um sich für "Essen auf Rädern" anzumelden. Am Telefon habe der alte Herr fast entschuldigend gesagt: ‚Wir können nicht mehr selbst kochen.‘ „Das hat mich sehr angerührt“, sagt Ines König-Günther. Doch auch jüngere Menschen mit körperlicher Einschränkung oder Krankheiten wie Parkinson greifen auf das Angebot des Roten Kreuzes zurück.

Einige Klienten nutzen den Service bereits über einen großen Zeitraum, einer von ihnen seit zehn Jahren. Die Kundschaft lässt sich in drei Gruppen teilen. Die größte, das sind die Menschen, die sich auf die Fahrer und ein Gespräch, auf die warme, frisch gekochte Mahlzeit freuen. Die zweite, viel kleinere Gruppe betrachtet die Essenlieferung als reine Dienstleistung. Die dritte Gruppe, das sind die schwer Zufriedenzustellenden. „Das sind aber nur sehr wenige und wir Fahrer wissen, wie sie zu nehmen sind“, bekräftigt Christoph Reinhardt.

Seine Kollegen und er erleben Freud und Leid vieler Kunden täglich und damit hautnah: Alltagsprobleme, Krankheit, Geburt von Enkelkindern, Streit mit den Nachbarn, manchmal den Tod des Lebenspartners. Einfach alles. Man kennt sich eben. „Wissen Sie, man gewöhnt sich aneinander und schließt sich ins Herz“, sagt Kerstin Kehm-Göbel und weiß genau, wovon sie spricht, denn sie fährt bereits seit zehn Jahren Menüs für das Büdinger Rote Kreuz aus. Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, bevor es Abstandsregeln und Maskenpflicht gab, hat sie ihre Kunden auch mal in den Arm genommen und gedrückt. „Gehutscht und betüddelt“, nennt sie das liebevoll. Diese Nähe vermisst sie in diesem verflixten Corona-Jahr. Einmal, so erzählt sie, habe eine Dame zu ihr gesagt: ‚Ach, ich würde so gern mal wieder Sauerkraut essen.‘ Da sei sie nach Dienstschluss in den Supermarkt gefahren, habe der Dame eine Dose gekauft und vorbeigebracht. Das Strahlen auf dem Gesicht der Dame habe sie glücklich gemacht.

Ob Weihnachten für sie selbst und die Menschen, die sie täglich mit einer warmen Mahlzeit versorgen, in diesem Jahr anders sein wird, wissen Christoph Reinhardt und Kerstin Kehm-Göbel nicht zu sagen: „Wir haben es ja noch nie unter Corona-Bedingungen erlebt.“ Aber aus den zurückliegenden Jahren können sie berichten. „Einige Kunden bestellen den Menüservice des Roten Kreuzes zum Christfest ab. Das bedeutet, jemand kocht für sie und sie sind in Gesellschaft. Darüber freuen wir uns sehr.“

Kunden, die den Lieferdienst auch an den Feiertagen nutzen, haben für die Fahrer kleine Aufmerksamkeiten vorbereitet: Plätzchen oder einen Schokoladenweihnachtsmann etwa, ein Päckchen Kaffee oder - wie im Falle einer alten Dame - jedes Jahr an Weihnachten eine kleine Flasche Rotwein. Schließlich freuen sich viele Kunden auf das Weihnachtsessen und auf die Fahrer. 

Wie an den anderen Tagen im Jahr steht auch an Weihnachten mancher Kunde schon ungeduldig am Fenster und wartet darauf, dass das „Essen auf Rädern“-Auto vor dem Haus parkt. „Da seid ihr ja endlich“, heißt es hier und da, wenn Kerstin Kehm-Göbel oder Christoph Reinhardt regelkonform Abstand haltend und mit Mund-Nase-Schutz in die Wohnung kommen. Während sie die Box mit dem Tagesessen abstellen und die Box vom Vortag mitnehmen wird geplaudert. An den Feiertagen werden sich Kerstin Kehm-Göbel und Christoph Reinhardt ein bisschen mehr Zeit nehmen können als sonst, weil sie weniger Menüs ausliefern müssen. „Dann halten wir ein Schwätzchen über Weihnachten und die Geschenke für die Enkel, über Wehwehchen und Zipperlein, über das Haustier oder die Nachbarn“. Und vielleicht fahren die beiden ja dieses Jahr an Heiligabend sogar mit einer rote Weihnachtsmütze raus zu ihren Kunden. Denen würde das gewiss gefallen.